Unternehmensnachfolge über eine Mitarbeiterkapitalbeteiligung
Die mittelständischen Unternehmen prägen den Wirtschaftsstandort Deutschland: 3,6 Millionen kleine und mittlere Unternehmen beschäftigen mehr als 60 % aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, bilden 8 von 10 Auszubildende aus und erwirtschaften 50 % des Bruttosozialprodukts.
Mittelständler haben die ideale Größe und Struktur, um nachhaltig erfolgreich zu sein. Aber gegenüber großen Aktiengesellschaften haben sie ein Problem: Rund ¼ der mittelständischen Unternehmen in Deutschland wird in den kommenden 5 Jahren in neue Hände übergehen; in den nächsten 10 Jahren betrifft das Thema Unternehmensnachfolge sogar über 50 % der Mittelständler. Die große Mehrheit ist in Familienhand organisch gewachsen, aber sie finden immer weniger in der Familie einen Nachfolger bzw. eine Nachfolgerin, deshalb müssen sie sich zunehmend mit der familienexternen Nachfolge auseinandersetzen. Dabei glauben viele Unternehmer, dass es ein Problem ist, einen geeigneten und qualifizierten Nachfolger zu finden.
Um die Nachfolge zumindest teilweise umzusetzen, ist die Mitarbeiterkapitalbeteiligung ein Instrument. Die Wurzeln einer Beteiligung am Unternehmen reichen mehr als 150 Jahre zurück: Z. B. die christlich-soziale Bewegung forderte eine breite Streuung des Eigentums an den Unternehmen. In den 70er Jahren gehörte die Beteiligung am Produktivvermögen neben der Verwirklichung der paritätischen Mitbestimmung zu den wichtigsten Reformversprechen der sozialliberalen Koalition. Bislang werden in Deutschland in nur 2 % der Unternehmen die Beschäftigen am Kapital beteiligt und in 9 % der Betriebe die Beschäftigen am Erfolg. In anderen europäischen Ländern liegt der Anteil bereits deutlich höher; so beteiligen in Frankreich 43 % aller französischen Unternehmen ihre Mitarbeiter am Gewinn.
Unter Mitarbeiterkapitalbeteiligung versteht man hierbei die vertragliche, in der Regel dauerhafte, Beteiligung der Mitarbeiter am Kapital des Unternehmens. Die Mitarbeiter werden quasi zu Geschäftspartnern, das fördert die Motivation, schafft unternehmerisches Denken, macht das Unternehmen als Arbeitgeber attraktiver und stärkt das Unternehmen im Wettbewerb. Im Gegensatz zu einer Erfolgsbeteiligung trägt der Arbeitnehmer – sofern das Kapital keiner Insolvenzsicherung unterliegt – auch das Risiko des Kapitalverlustes.
Eine nachhaltige Wirkung entfaltet eine Mitarbeiterkapitalbeteiligung, wenn sie eingebettet ist in eine partnerschaftliche Unternehmenskultur. Gemeinsam getragene Verantwortung für das Unternehmen verpflichtet zu mehr Kooperation und Engagement. Die Einführung einer Mitarbeiterkapitalbeteiligung bietet den Beschäftigten die Möglichkeit, im Unternehmen Geld anzulegen und am Erfolg beteiligt zu sein. Diese Kapitaleinlagen können zur Verbesserung der Liquidität und der Eigenkapitalbasis genutzt werden. Vorteile bestehen bei dieser Variante, um vor allem Führungskräfte zu binden. Bei einer direkten Beteiligung (z. B. GmbH-Anteil) haben die beteiligten Mitarbeiter dieselben Rechte wie die ursprünglichen Gesellschafter (z.B. Auskunfts- und Mitbestimmungsrecht) – bei stillen Beteiligungen, Genussrechten und Mitarbeiterdarlehen sind diese eingeschränkt.
Die Wahl der jeweiligen Beteiligungsform ist davon abhängig, welche Ziele mit der Beteiligung erreicht werden sollen. Sekundären Einfluss hat dagegen die Rechtsform des Beteiligungsunternehmens.
Eigen- und Fremdkapitalbeteiligung durch Mitarbeiter
Durch die Beteiligung am Eigenkapital des Unternehmens sind Gesellschafter und Mitarbeiter sowohl am Gewinn, als auch Verlust des Unternehmens beteiligt. Bei der Beteiligung am Eigenkapital einer Personengesellschaft wird aus dem Angestellten ein Unternehmer – mit Mitspracherechten. Die Beteiligung am Eigenkapital von Kapitalgesellschaften ist bei der Beteiligung an einer GmbH wegen ihrer weitreichenden und unabdingbaren Informations- und Auskunftsrechte sowie Formvorschriften insbes. für Führungskräfte sinnvoll. Hingegen erscheint die (kleine) AG aufgrund der problemlosen Veräußerbarkeit der Anteile (Aktien) und ihrer beschränkten Haftung gut geeignet – auch für die Beteiligung weiterer Mitarbeitergruppen.
Bei einer Fremdkapitalbeteiligung (z. B. Mitarbeiterdarlehen) erlangt der Arbeitnehmer eine weniger weitgehende Bindung an das Unternehmen als bei der Eigenkapitalbeteiligung. Diese Beteiligung wird durch ein schuldrechtliches Beteiligungsverhältnis begründet. Der Mitarbeiter stellt dem Unternehmen für einen meist festen Zins eine bestimmte Summe zur Verfügung. Es ergeben sich keine gesellschaftsrechtlichen Konsequenzen, wie Mitsprache- und Mitentscheidungsrechte.
Eigenkapitalähnliche Mitarbeiterbeteiligung
In den Fällen, in denen aus haftungs- und steuerlichen Gründen eine Beteiligung am Eigenkapital als Vollgesellschafter nicht gewollt ist, bietet sich die Beteiligung durch eine stille Gesellschaft bzw. eines Genussrechtes (Mezzanine-Kapitalbeteiligung) an. Obwohl die Beteiligung steuerrechtlich stets Fremdkapital ist, kann sie betriebswirtschaftlich als Eigenkapital konstruiert werden, wenn entsprechende Gestaltungsanforderungen umgesetzt werden.
Die indirekte Mitarbeiterbeteiligung
Bei der direkten Beteiligung wird jeder einzelne Mitarbeiter für sich am Unternehmen beteiligt, somit entsteht ein unmittelbares Beteiligungsverhältnis. Im Gegensatz dazu ist bei einer indirekten Beteiligung diese unmittelbare Vertragsbeziehung mit dem Unternehmen durch die Zwischenschaltung einer Beteiligungsgesellschaft aufgehoben. Diese Institution bündelt die Beteiligungen, das heißt, sie bildet einen Pool von Kapitalbeteiligungen, der das gesammelte Kapital an das Unternehmen weiterleitet. Diese Beteiligungsform ist zwar aufwendiger, aber flexibler. In der Regel ist die indirekte Beteiligung bei Unternehmensgruppen sinnvoll; sie kann jedoch auch bei Gesellschaften zum Tragen kommen, die nicht durch mehrere Unternehmen gekennzeichnet sind. Die Beteiligungsgesellschaft nimmt im Regelfall die Rechtsform der GmbH oder GbR an.
Die Kapitalbildung von Mitarbeitern am Unternehmen wird u. a. durch das Mitarbeiterbeteiligungs-gesetz vom 1. April 2009 und 5. Vermögensbildungsgesetz gefördert; hierbei können beide Förderungen kombiniert werden:
- Bildung einer Kapitalbeteiligung durch einen steuer- und sozialversicherungsfreien Arbeitgeberzuschuss von bis zu EUR 360 pro Jahr nach dem Mitarbeiterbeteiligungsgesetz (§ 3 Nr. 39 EStG)
Die Beteiligung muss jedem Mitarbeiter / jeder Mitarbeiterin angeboten werden, der/die wenigstens 1 Jahr im Unternehmen beschäftigt ist; hierbei kann der Zuschuss von einer Eigenleistung des Arbeitnehmers abhängig gemacht werden. Dieser steuerfreie, geldwerte Vorteil ist eine freiwillige Leistung vom Unternehmen an den Arbeitnehmer – zusätzlich zum Arbeitslohn; hierbei ist die Steuerfreiheit erfüllt, wenn die Zusage zu einer Mitarbeiterbeteiligung vor jeder Leistung neu vereinbart wird. Dabei können die Rahmenbedingungen, wie z. B. die Verteilungsgrundsätze, Höhe der Beteiligung, Gewinn- und Verlustbeteiligung, Laufzeit/Sperrfristen, Kündigungsbedingungen, Informations- und Kontrollrechte, Verwaltung der Beteiligung geregelt werden. Das Gesetz wurde 2010 dahingehend erweitert, dass eine Nichtausnutzung des Freibetrages (z. B. bei einem Arbeitgeberzuschuss von EUR 200) durch eine steuerfreie Entgeltumwandlung (z. B. mit EUR 160) aufgestockt werden kann.
- Arbeitsnehmer-Sparzulage über max. EUR 80 pro Jahr u. a. für die Finanzierung von Unternehmensanteilen (5. Vermögensbildungsgesetz (VermBG))
Die Arbeitnehmersparzulage (ANSpZ) ist ein staatlich gewährter Zuschuss zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer, die der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer anlegt. Diese vermögenswirksame Leistung ist eine tarifvertragliche oder per Arbeitsvertrag vereinbarte Geldleistung und arbeitsrechtlich Bestandteil des Gehaltes. Die Beschäftigten können diese Leistungen durch Teile ihres Gehaltes ergänzen. Z. B. beträgt die Arbeitnehmer-Sparzulage für Leistungen, die in betrieblichen Beteiligungen (Aktien, Anteile an Aktienfonds) angelegt werden, 20 % des angelegten Betrages max. EUR 80 pro Jahr bei einem Anlagebetrag von EUR 400. Diese Zulage wird nur bis zu einer bestimmten Einkommensgrenze gewährt (zu versteuerndes Einkommen bei Ledigen von EUR 20.000 bzw. Verheirateten von EUR 40.000 p.a.) und unterliegt einer Sperrfrist von 6 Jahren.
Die Unternehmensplanung als Voraussetzung für eine Mitarbeiterkapitalbeteiligung
Bei einer Unternehmensnachfolge durch Mitarbeiter/innen sind diese geförderten Kapitalbeteiligungen aufgrund ihrer geringen Beträge nur begrenzt einsetzbar, deshalb sind über Eigenkapital und/oder Fremdkapital finanzierte Beteiligungen notwendig, um Arbeitnehmer in größerem Rahmen am Unternehmen zu beteiligen bzw. einen ersten Schritt bei der Nachfolge zu gehen.
Wenn eine derartige Beteiligung geplant oder eine Umwandlung des Unternehmens (z. B. von der GmbH zur AG oder vom Einzelunternehmen zur GmbH) sinnvoll und notwendig wird, ist als Grundlage für die Anteilshöhe der Kapitalbeteiligung ein Unternehmenswert zu ermitteln.
Hierzu ist neben einer Unternehmensanalyse mit allen wirtschaftlich relevanten Daten der letzten Jahre eine qualifizierte und begründete Unternehmensplanung erforderlich. Diese Unternehmensplanung muss sich intensiv mit den zukünftigen Zielen des Unternehmens und den Marktchancen und -risiken auseinandersetzen und das Entwicklungspotenzial des zur Nachfolge anstehenden Unternehmens aufzeigen.
Alf Baumhöfer (Bankkaufmann / Diplom-Ökonom)
BAUMHÖFER UNTERNEHMENSBERATUNG BDU